· 

Über das Dilemma von Tierärzten mit dem Faktor Zeit und über Medical Training

MEIN PERSÖNLICHES DILEMMA ALS TIERÄRZTIN

 

Heute möchte ich dir einen Teil meiner persönliche Geschichte erzählen. Darüber weswegen ich nicht mehr als Tierärztin in einer Kleintierpraxis arbeite.

Ich habe meinen Beruf sehr geliebt. Ich wurde sehr geschätzt in meiner Arbeit als empathische und auch sehr genau arbeitende Tierärztin. Ich bin auch fachlich eine durchaus gute Tierärztin. Es war mir immer schon wichtig für Tiere alles zu geben.

Für mich ist es normal, dass ich mich einsetze und mein Bestes gebe. Genau so wie ich es bei meinen eigenen Tieren tue, bin ich auch für Kundentiere da.

Auch in meinem Ursprungsberuf war mir wichtig eine respekt- und liebevolle Verbindung mit einem Tier aufnehmen zu können, ebenso wie ich auch gerne auf die Tierbesitzer und ihre Nöte eingegangen bin.

 

Jetzt fragst du dich vielleicht, weshalb ich aufgehört habe in einer herkömmlichen Tierarztpraxis zu arbeiten?

Mein grösstes Dilemma war der zeitliche Druck.

Ja, ich habe es hingekriegt mir für jeden einzelnen Termin die Zeit zu nehmen, die nötig war, um meine Ansprüche an mich gegenüber Mensch & Tier zumindest annährend erfüllen zu können. Und die waren hoch. Was den Umgang mit Mensch & Tier anbelangte, ebenso wie es mir auch wichtig war möglichst präzise zu arbeiten, um den Tieren eine möglichst gute Versorgung zu gewährleisten.

Ich wurde immer als ruhig im Umgang mit den Tieren wahrgenommen und war es auch. Ich habe mich auf jeden einzelnen Patienten in voller Präsenz eingelassen.

Mir wurde auch nachgesagt ein gutes Händchen für schwierige Tiere zu haben. Und gleichzeitig war da der zeitliche Druck. Der häufig sehr durchgetaktete Terminkalender. Der übliche Alltagswahnsinn, der in vielen Tierarztpraxen gegeben ist.

 

Ja, es gelang mir in der allermeisten Zeit dennoch in mir ruhig zu sein und mich auf jedes einzelne Tier einzulassen. Der Energieaufwand das zu tun im Kontext des für mich viel zu engen Terminkalenders war enorm. Ich war regelmässig nach Arbeitsende sehr müde und ausgelaugt.

 

Ich bin einfach nicht gemacht, um so zu arbeiten. Ich konnte auf Dauer meine qualitativen Ansprüche gegenüber Mensch & Tier an mich nicht aufrechterhalten, ohne dass ich an anderer Stelle enorme Einbussen hatte. Und bei mir war es einfach mein eigenes Wohlbefinden und meine Gesundheit. Ich konnte nicht mehr meinen Wünschen und Ansprüchen entsprechend für meine Familie und meine eigenen Tiere da sein. Für mich schon gar nicht. Das hat mir einen immensen inneren Druck kreiert und alles miteinander war unter dem Strich einfach zu viel. Ich war häufig überfordert und fühlte mich oft unzulänglich. Das wiederum hat mich noch mehr gestresst.

 

Das war der Grund für mich, weswegen ich meinen Ursprungsberuf an den Nagel gehängt und mir seit ein paar Jahren meine Selbstständigkeit aufbaue.

Ich arbeite jetzt nicht mehr als Tierärztin im herkömmlichen Sinn, aber natürlich fliesst mein Wissen und meine Erfahrung aus den vielen Jahren Tierarztpraxis auch in meine Arbeit jetzt mit ein. Und so wie ich heute wirke, habe ich soviel Zeit für Mensch & Tier, wie ich mir nehmen möchte respektive die es braucht und was sinnvoll ist.

 

Schon viele Jahre während meiner Arbeit als Tierärztin war dieses Wissen da, dass es noch so viel mehr gibt als Schulmedizin. Mein grosses Glück war es immer schon in Praxen gewirkt zu haben, die sich auch auf alternativmedizinische Methoden spezialisiert hatten. Da konnte ich sehr viel lernen und mitnehmen. Und da war auch Raum mein Wirken im Bereich der Verhaltensmedizin und Tierkinesiologie bereits einzubringen.

 

Mein Herzensthema der Mensch-Tier-Beziehung hatte allerdings einfach nur wenig Raum im Kontext des Tierarztalltages. Umso mehr geniesse ich mein Wirken jetzt, in dem ich mir selber gestalten kann, wie ich es gerne haben möchte. Was für mich den allermeisten Sinn ergibt, um Mensch & Tier bestmöglich zu unterstützen.

Und zwischenzeitlich hat sich mein Wirkungsfeld mit Mensch & Tier natürlich noch viel weiter entwickelt und verfeinert.

Meine Absicht ist es bei Verhaltensproblemen wie auch begleitend bei chronische Erkrankungen ganzheitlich und aus allen Ebenen hinzuschauen und am Ursprung anzusetzen. Denn jedem körperlichen Thema liegen energetische Ursachen zugrunde. Und die Wechselwirkungen zwischen Mensch & Tier sind enorm.

DAS DILEMMA VON TIERÄRZTEN IM UMGANG MIT MENSCH & TIER GEGENÜBER ZEIT UND WIRTSCHAFTLICHKEIT

 

Ich möchte hier meine Gedanken zum Thema Tierarzt und Umgang mit dem Tier in der Tierarztpraxis gerne mit dir teilen.

Also einmal vorne weg: ich weiss, dass es viele Tierärzte gibt, die richtig gut, geduldig und auch sehr liebevoll zu ihren Patienten schauen. Immer mehr verbreiten sich auch Konzepte wie "fear free" und das ist so gut. Was sollte den selbstverständlicher sein als ein achtsamer und  respektvoller Umgang mit dem Tier?!

Aber ist der respektvolle Umgang mit Mensch & Tier in unserer Gesellschaft denn wirklich selbstverständlich?

 

Ich gehe davon aus, dass die meisten jungen Menschen, die sich für ein Studium der Veterinärmedizin entscheiden, eine sehr grosse Passion für Tiere haben.

Ganz ehrlich? Ich zumindest hätte mir ansonsten mein Studium nicht gegeben! Mein erstes Studienjahr habe ich mit Ehrenrunde sogar zweimal durchlaufen. Damals war es sicherlich noch viel anders als heute. Was ich jedoch mit Sicherheit weiss, ist, dass ein Studium der Veterinärmedizin kein Zuckerschlecken ist!

Bei mir war damals das erste Studienjahr mit wöchentlich 6 Stunden Chemie, 6 Stunden Physik, Biochemie und ganz viel mehr versetzt. Spätestens nach dem ersten Monat waren meine Vorkenntnisse aus dem Gymnasium ausgeschöpft und mein erstes Studienjahr war reine Fleissarbeit. Da war noch nicht so viel mit Tiermedizin. Es waren die Grundlagen. Wobei da weniger sicherlich genügt hätte und der Studiengang später auch dementsprechend modifiziert wurde. Für die Prüfungen mussten wir beispielsweise das Periodensystem der Elemente auswendig lernen. Was für eine Nonsense - jetzt mal im Ernst - steht ja in jedem Chemiebuch.

 

Warum erzähle ich dir das? Weil ich das veterinärmedizinische Studium nicht absolviert hätte, wäre da nicht mein tiefster Wunsch gewesen Tierärztin zu werden aus meiner tiefen Passion zu Tieren heraus. Weil mir Tiere immer schon sehr wichtig und sehr nahe waren in meinem Leben. Mein Berufswunsch war schon da, als ich ein kleines Kind war. Und ich hatte grossen Respekt vor dem Studium, weil ich wusste, dass es sehr streng werden würde. Das war es auch und grossenteils auch sehr spannend.

Ich glaube, dass viele Tierärzte diese Passion mit mir teilen.

Warum aber wird aus einer Passion ein teilweise nicht gerade zimperlicher Umgang mit Tieren?!

 

Ich habe schon mit vielen Tieren an Traumatas gearbeitet, die durch Tierarztbesuche ausgelöst worden sind.

Vieles wäre vermeidbar gewesen!

 

Ja, es gibt Tierärzte die einfach unsensibel und unwissend sind, die ein Tier nicht lesen können und unangemessen mit ihm umgehen. So wie es auch ganz viele Menschen gibt, die ihre Mitmenschen nicht sehen. Oder es fehlt einfach der Respekt und die Achtsamkeit gegenüber einem anderen Lebewesen. Da darf die Menschheit definitiv einfach noch wachsen. Also lieber Mensch - ich lade dich ein zum Wohle von Mensch & Tier dein Wertesystem zu überdenken.

 

Aber ich glaube, dass sich die meisten Tierärzte den Umgang mit Mensch & Tier anders wünschen würden, als es der Praxisalltag oftmals erlaubt.

Hat man beispielsweise einen sehr unsicheren und ängstlichen Hund, der sich von fremden Menschen schnell bedroht fühlt, dann wäre es wichtig für diesen Hund zuerst Vertrauen aufbauen zu können. Im normalen Praxisalltag wie ich ihn kenne, war da ein Zeit Fenster von 15-20 Minuten, wenn viel Zeit war auch mal 30 Minuten. Diese Zeit ist sehr knapp um Vertrauen aufbauen zu können zu einem Tier, das Angst hat. Und die Zeit muss ja nicht nur dafür alleine ausreichen. Da ist noch das Gespräch mit dem Tierbesitzer, Gedanken und allenfalls Diskussionen über mögliche weitere Abklärungen und Therapien, andere Diagnosemassnahmen, das Verabreichen von Medikamenten (was by the way auch sehr unangenehm sein kann!) und der KG Eintrag, etc..

 

Der tierärztliche Untersuchungsgang ist nicht ohne Distanzunterschreitung möglich, auch wenn man noch so deeskalierend und sanft vorgeht. Bei der Untersuchung und Behandlung können auch mal Schmerzen ausgelöst werden, je nach Symptomatik, die ein Tier mit bringt.

Manchmal hätte ich viel länger Zeit gebraucht, um dem Wesen einzelner Tiere gerecht werden zu können. Deswegen habe ich ab und an Mensch & Tier auch wieder unvollendeten Werkes nach Hause geschickt, wenn nichts dringendes war und zu einem Folgetermin wieder bestellt.

Aber was, wenn das Tier krank ist? Was, wenn es einfach sein muss?

Klar, auch da hat man Möglichkeiten wie möglichst sanft, vertrauensvoll und gleichzeitig klar zu kommunizieren oder beispielsweise die einer Sedation.

 

Aber Hand aufs Herz - gerade bei ängstlichen Tieren - wie schnell werden doch einfach mal kurz deren Grenzen überschritten?

Bei einem aggressiven Tier ist man vielleicht etwas achtsamer. Oder der Maulkorb kommt drauf, der Hund wird fixiert und muss einfach unten durch. Weil manche das halt so machen.

Und ja, kann mal funktionieren, aber das Risiko, dass so ein Tier ein dauerhaft einschneidendes Erleben davon trägt ist einfach zu gross! Wie wohl der nächste Besuch beim Tierarzt ablaufen wird?

 

Das ewige Thema der Wirtschaftlichkeit! Ich kenne diese Thematik. Und wir als Menschheit sind gefordert unsere Wertesysteme zu überdenken, damit sich Vieles nachhaltig verändern kann.

Solange Menschen nicht bereit sind mehr Geld zu bezahlen für eine umfänglich höhere Qualität auch im Umgang mit ihren Tieren wird es schwierig. Solange Tierärzte sich nicht die Zeit für wesentlich längere Konsultationstermine und dafür mehr Geld nehmen können, müssen die Tiere einfach irgendwie in kürzerer Zeit durch. Und wie sollen Abläufe geplant werden, damit nicht zu grosse Lücken entstehen? Oder die Wartezeiten so lange werden, dass Kunden im Wartezimmer die Geduld verlieren? Was ist mit den Notfällen zwischendurch, die sofort versorgt werden müssen?

It‘s really not so easy!

 

Ich weiss, dass es vielen Menschen wichtig ist und sie gerne mehr bezahlen würden für mehr Zeit mit ihrem Tier, die einen achtsameren Umgang erlaubt. Dann macht es einfach auch Sinn als Tierhalter schon beim Anruf in der Praxis bereits um einen längeren Termin zu bitten. Das wird oft vergessen und bedingt, dass der Tierhalter selbst sein Tier einschätzen kann. Und da ist leider manchmal noch viel mehr Unwissenheit und Missverständnis anzutreffen als bei der Tierärzteschaft.

 

Ein Tierhalter sollte sich auch einem Tierarzt gegenüber herausnehmen zu sagen, wenn sein Tier nicht angemessen behandelt wird. Wenn sich etwas nicht richtig anfühlt.

Ja dafür müsste der Tierhalter sein Tier sehen, fühlen und nötigenfalls auch den Mut haben für es einzustehen. Und das darf man respektive sollte man unbedingt. Gerade weil ein Tierhalter sein Tier kennt und es am besten einschätzen können sollte.

 

Was kannst du als Tierhalter noch tun?

Du kannst mit deinem Tier das Handling üben. Zuerst du selbst, dann mit Fremdpersonen und auch beim TA üben.

Ein gut aufgebautes MEDICAL TRAINING ist Gold wert!

Ich habe es bei jedem meiner Hunde aufgebaut. Zuerst bei einer meiner Hündinnen, die stark traumatisiert war. Wegen ihr habe ich überhaupt so eingehend angefangen mich mit dem Thema zu beschäftigen. Danach habe ich ein Medical Training auch bei allen Anderen prophylaktisch aufgebaut.

Ich empfehle es jedem Tierhalter. Vor allem bei jenen Tieren, die sich unsicher, ängstlich oder aggressiv gegenüber fremden Menschen zeigen. Aber auch für den Hundetyp, der sich vor lauter Freude kaum mehr zurück nehmen kann.

Auch wenn ich hier v.a. über Hunde schreibe, so lässt sich natürlich bei Katzen und auch bei Pferden ebenfalls sehr viel machen. Ich habe einfach meinen grössten Erfahrungsbereich mit Hunden.

 

Wenn ein Tier bereits ein traumatisches Erlebnis hinter sich hat beim TA, dann ist ein Medical Training für mich unabdingbar. Im Idealfall zusammen mit der Therapie des Traumas.

Sofern man den Weg der Kooperation mit dem Tier wählt und nicht lebenslang ein Riesenthema mit TA Besuchen haben möchte.

 

Möchtest du mehr über MEDICAL TRAINING und meine Angebote dazu wissen?

Hier Medical Training - Fabienne Fust findest du mehr darüber und auf YouTube findest du noch weitere Videos von mir rund um das Thema Medical Training.

Oder schreibe mir gerne auch ein PN.

 

©med. vet. Fabienne Fust, MENSCH & TIER IM GLEICHKLANG, www.fabiennefust.ch, Juni 2022.